dbb hh-info 12/ 2020

Rot-grüner Koalitionsvertrag

09. Juni 2020

Mehr Schatten als Licht für den öffentlichen Dienst.

Wer sich das vermeintliche Vergnügen macht, den über 200 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag durchzulesen, wird lange suchen müssen, wenn es um die Belange der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes geht. Die FHH als größter Arbeitgeber (und Dienstherr) in Hamburg hält sich wahrlich recht bedeckt; die Zukunft des öffentlichen Dienstes spielt dabei anscheinend keine große Rolle.

Insbesondere die Übernahme der Tarifergebnisse auf die verbeamtete Kollegenschaft wird infrage gestellt. So ist auf Seite 22 zu lesen:

„Am grundsätzlichen Ziel der Tarifgarantie bei der Übernahme der Tarifergebnisse für die Beamt*innen wollen wir uns auch in Zukunft daran orientieren, was angesichts der finanziellen Corona-Folgen eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten wird und verantwortliches Agieren auf allen Ebenen und von allen Seiten voraussetzt.“

Demgegenüber findet sich im rot-grünen Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode (2015) folgender Passus:

„Löhne und Gehälter der Beschäftigten und der Beamtinnen und Beamten steigen entsprechend der ausgehandelten Tarife.“

Abgesehen von dem umfangreichen Behördenumbau, der sicherlich einige Personalratsneuwahlen nach sich zieht, relativieren jetzt die zukünftigen Regierungspartner ihre im Wahlkampf gemachten Zusagen.

Mit dbb hh info 05/ 2020 hatten sich die Regierungsfraktionen noch vorbehaltlos für eine Übernahme der Tarifergebnisse auf die Beamt*innen ausgesprochen. Auch die politische Garantieerklärung aus dem Jahre 2011 durch Olaf Scholz und die Erklärung von BGM Tschentscher auf dem 30. Landesgewerkschaftstag des dbb hamburg im Juni 2018 zur entsprechenden Übernahme sind anscheinend obsolet geworden.

Der dbb hamburg warnt davor, den Beamt*innen ein „Sonderopfer“ auf Grund der Corona-Krise abzuverlangen. Bislang ist der öffentliche Dienst gerade in der Corona-Krise der Stabilitätsfaktor schlechthin und hält „den Laden am Laufen“; dies darf nicht leichtfertig auf´s Spiel gesetzt werden. Motivation und Wertschätzung werden durch solche festgeschriebenen politischen Vorgaben bestimmt nicht gefördert.

Die Besoldung und Versorgung der Beamt*innen bewegen sich bereits jetzt am Rande des Verfassungsgebotes einer amtsangemessenen Alimentierung. Man sollte also mit dem Vertrauen der Beschäftigten auf seinen Dienstherrn nicht leichtfertig umgehen; ggf. muss man dann auch über entsprechende Klagewege nachdenken.

Zu begrüßen sind sicherlich die Weiterführung der Ausbildungsoffensive in der Steuerverwaltung sowie bei der Polizei, die zwar nur temporäre Aufstockung des Personals in den Gesundheitsämtern, die vorgesehen Anhebung der Gehälter der Lehrer*innen im Grundschulbereich und die angestrebte Digitalisierung in der gesamten Verwaltung.

Die geplante neue Behördenstruktur trifft bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Seiten 202 bis 204) auf wenig Verständnis. Hier wird ohne große Not der gesamte Behördenapparat quasi auf den Kopf gestellt. Das hätte man sich gerade in Krisenzeichen durchaus verkneifen können; die Bedienung des politischen Proporzes allein ist dafür keine Rechtfertigung.

gez. Rudolf Klüver